Expertentalk mit Birgit Kohlhase, babyclub.de, 2007

Birgit Kohlhase ist Diplom.-Sozialpädagogin, staatlich anerkannte Erzieherin und Mutter von vier Kindern. Über viele Jahre war sie Vollzeit-Mutter und betreibt nun die Beratungspraxis "Individuelle Lebens- und Biografieberatung, Beziehungs- und Paarberatung" in Stuttgart.

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Die Geburt des ersten Kindes ist ein gravierender Einschnitt in das Leben eines Elternpaares. Die Umstellung fällt dabei in der Regel für die Frau weit größer aus als für den Mann. Nichts ist mehr planbar, die Bedürfnisse dieses kleinen Kindes stehen Tag und Nacht an erster Stelle - ohne Rücksicht auf die Müdigkeit und die Bedürfnisse der Eltern Es ist ein Spagat zwischen unsäglicher Freude, Anspannung und Unsicherheit.


babyclub.de: Wie verändert sich die Partnerschaft, wenn das Baby auf der Welt ist?

Birgit Kohlhase: Die Beziehung der Eltern untereinander wird in jedem Fall auf die Probe gestellt. Die Aufmerksamkeit, Fürsorge und Zuwendung, die das Kind beansprucht, schmälert natürlich die Zeitspanne, die den Eltern für die Pflege ihrer eigenen Partnerschaft zur Verfügung steht. Gespräche werden einfach seltener und haben häufig das Kind oder organisatorische Fragen zum Inhalt. In dieser Übergangsphase von der Paarbeziehung zum Elternwerden ist die Pflege der Partnerschaft von entscheidender Bedeutung. Man sollte sich als Eltern bewusst machen, dass die Entwicklung des Kindes in einem hohen Maß von der Qualität der Elternbeziehung abhängig ist. Das Kind ist für die feinen Spannungen und Irritationen in seiner Umgebung oder aber für die Harmonie zwischen den Eltern sehr sensibel.


babyclub.de: Wie erlebt der Vater diese Zeit?

B.K.: Für den Mann ist es manchmal schwer nachzuvollziehen, wie stark die Frau die Verbundenheit mit dem Säugling erlebt ? sie hat das kleine Wesen neun Monate unter dem Herzen getragen und die Kindsbewegungen in ihrem Leib gespürt. Die Schwangerschaft, das Geburtsgeschehen und das anschließende Stillen ? all das sind für die Frau ganz unmittelbare Erfahrungen, die der Mann aus einer viel distanzierteren Perspektive erlebt. Er kann sich deshalb auch ausgeschlossen fühlen. Darum sollten sich die jungen Eltern unbedingt über ihre Empfindungen und Gedanken austauschen, um Enttäuschungen und Verletzungen vorzubeugen.


babyclub.de: Hat eine Frau nach der Geburt noch Lust auf Intimität?

B.K.: Sehnt der frisch gebackene Vater sehr bald die körperliche Vereinigung mit seiner Frau herbei, kann bei der jungen Mutter das Verlangen nach Sexualität oft über Wochen oder Monate in den Hintergrund gedrängt sein. Das Stillen und die stärkere Belastung für die Mutter durch die körperliche Regeneration können ihre sexuellen Bedürfnisse zunächst verringern. Dagegen wächst aber oft das Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Geborgenheit. Eltern sollten über ihre unterschiedlichen Empfindungen sprechen und sich ihrer klar werden, so kann auch in der Übergangszeit Zärtlichkeit stattfinden.


babyclub.de: Wie können Eltern ihr Paarsein pflegen?

B.K.: Paare sollten Ihre Beziehung wie ein lebendiges Wesen pflegen, sonst verkümmert sie! Sie sollten aktiv für dieses gemeinsame Leben etwas tun. Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern Tätigkeit und Arbeit. Auseinandersetzungen bleiben nicht aus, denn sie sind Teil einer lebendigen Beziehung. Man muss aber lernen, damit konstruktiv umzugehen. Ganz entscheidend kommt es darauf an, auf die Veränderungen einzugehen und im Wissen darum miteinander Schritte zu tun, um einer Verschlechterung der Beziehung vorzubeugen.


babyclub.de: Mit welchen Problemen kommen Paare am häufigsten auf Sie zu?

B.K.: Gerade bei Paaren mit kleinen Kindern zeigt sich meistens das gleiche Konfliktmuster: Es geht um den Mangel an gemeinsam verbrachter Zeit auf der Paarebene. Das Kind, der Beruf, die täglichen Anforderungen nehmen 100 Prozent in Anspruch. Eine Paarbeziehung braucht Zeit und freien Raum. Und diese Zeit zu Zweit sollten sich beide absolut einplanen. Es kommt nicht nur der Partnerschaft zu Gute, sondern letztlich den Kindern, die sich nichts sehnlicher wünschen, als dass ihre Eltern sich nach wie vor lieben und gut verstehen.


Vielen Dank für das Interview, Frau Kohlhase.